Digitalagentur
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Die Zukunft der Logistik

Ein Roboter sichtet und sortiert die riesigen Lager, der autonom fahrende Lieferwagen bringt die Pakete in die Nähe der Wohngebiete, Drohnen überfliegen den dichten Verkehr und erledigen schließlich die Paketübergabe. Noch klingen Szenarien wie diese nach logistischer Zukunftsmusik, doch längst werden sie getestet, etwa im Innovation Center des weltweit führenden Logistikunternehmens DHL. 

Der auf ihnen ruhende Erwartungsdruck scheint Effi, Fetch und Sawyer nicht zu belasten. Ausdauernd, routiniert und dabei stets präzise spulen die neuen Mitarbeiter ihre Arbeit in den Lagerhallen der Deutschen Post DHL Group ab. Kein Murren, keine Müdigkeit, kein Müßiggang. Und obwohl sich die neuen Kollegen bereits nahezu unverzichtbar gemacht haben, sind sie austauschbar: denn Effi, Fetch und Sawyer sind Arbeitsroboter, lernende Systeme – und nicht weniger als die Zukunft der Logistik.

Digitalisierung als zweitgrößte Herausforderung der Logistik

In Troisdorf sind alle drei im Einsatz. In einem Industriegebiet hat der weltweit führende Logistiker Deutsche Post DHL Group vor elf Jahren ein Innovation Center aufgebaut, in dem der aktuelle Stand der logistischen Technik vorgeführt wird. „Es gibt Unternehmen, die es nicht mehr gibt, weil sie Trends und Entwicklungen verpasst haben“, sagt Markus Kückelhaus, der Vice President Innovation & Trend Research. Oben erforschen die internationalen Mitarbeiter die neuesten Trends und Innovationen, unten wird der Blick direkt auf den Stolz der Trendforscher freigelegt: die bereits begonnene Zukunft.

Tatsächlich ist das „bald“ gar nicht mehr so weit weg. Die Deutsche Post DHL Group erstellt alle zwei Jahre einen Logistics Trend Radar, gerade erst erschien die neueste Ausgabe, mit 28 aktuellen Trends, die nach kurz- oder langfristiger Einführung sowie dem Grad der Veränderung für die Branche eingestuft werden. „Die beiden neuesten Themen sind die künstliche Intelligenz und die Blockchain“, so Kückelhaus.

Blockchain

Die Technologie Blockchain steht hinter der Kryptowährung Bitcoin und hat als solche in den vergangenen Jahren einen wahren Hype ausgelöst. Denn per Blockchain kann man nicht nur den weitgehend reibungslosen Betrieb eines digitalen Geldsystems garantieren – mit ihr lässt sich im Prinzip jeder denkbare Austausch organisieren, der irgendwie digital abbildbar ist, weshalb sie auch für die Logistik interessant wird. Sie könnte beim Transport etwa die Kommunikation in der komplizierten Handels- und Lieferkette vereinfachen, den statischen Frachtbrief ersetzen oder die Transaktionen automatisieren. Ganz simpel erklärt, ist die Blockchain eine verteilte und verschlüsselte Datenbank, wobei jeder Nutzer des Netzwerks eine vollständige Kopie besitzt. Zudem ist sie fälschungssicher, weil jeder einzelne (Daten-)Block erst registriert und überprüft und dann chronologisch an die Kette angehängt und gespeichert wird, ohne danach noch veränder- und somit manipulierbar zu sein.

 

Wettbewerbe für konkrete Lösungsvorschläge

Sowohl das Trend Radar als auch der Showroom in Troisdorf zeigen deutlich, dass an sämtlichen logistischen Stellschrauben gedreht wird, entlang der gesamten Lieferkette, bis zur letzten Meile, wie die Logistiker es nennen. Und das mit einer beachtlichen Anzahl an Partnern. „Wir entwickeln selbst ja keine Technologie“, sagt Sprecherin Sabine Hartmann gleich zu Beginn, als sie auf eine Wand mit zahlreichen Firmenlogos zeigt. Die wurde in den letzten Jahren mehrfach ausgebaut und umgestaltet. Neben etablierten Größen wie Bosch, Samsung, Daimler oder dem Fraunhofer Institut sind in den vergangenen Jahren zunehmend digitale Start-ups dazugekommen, die sich mit ganz konkreten Lösungen in der Robotik und der künstlichen Intelligenz hervorgetan haben. Dafür lädt das Unternehmen in seinem Innovation Center regelmäßig zu Wettbewerben ein. Wie bei der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ müssen die Start-ups einer Jury konkrete Lösungsvorschläge für klar definierte Probleme vorstellen. Der Unternehmer Frank Thelen ist ebenso wie bei der Fernsehsendung Teil des kritischen Rudels.

„Visuell funktioniert besser als sprachlich“ 

In Troisdorf sind einige daraus hervorgegangene Vorführobjekte zu bewundern – wie eben Effi, Fetch und Sawyer. Der selbst fahrende Lastenwagen Effidence ist treuer Begleiter der Lagerarbeiter, folgt ihnen durch die Gänge und nimmt ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Arbeit ab. Das fahrerlose Staplersystem Fetch kann sogar noch autonomer 32 Kilometer am Tag zurücklegen und dabei bis zu 1.500 Kilogramm transportieren. Das System lernt währenddessen ständig dazu, findet die kürzesten, schnellsten Wege, erkennt Hindernisse und ruckelt dann mit zwei Metern pro Sekunde selbstständig durch die Gänge der riesigen Lager. Und der kollaborative Roboter Sawyer kann mit seinem Greifarm stundenlang die gleichen, präzisen Bewegungsabläufe ausführen. Alle drei sind auch bereits in den Logistikzentren, etwa im niederländischen Beringe, im Einsatz.

Dazu kommen Datenbrillen oder Kommissionierungsroboter, die beim schnellen Erfassen der Bestände helfen. „Visuelle Arbeitsanleitungen funktionieren besser als sprachliche“, räumt Kückelhaus ein, denn im Innovation Center steht auch Pepper. An ihm wird der mitunter noch verspielte Charakter der Forschungen deutlich und wie weit viele Veränderungen von der markttauglichen Implementierung entfernt sind. Der humanoide Roboter ist freundlich, aber noch eigenwillig, eine nette Spielerei, aber noch nicht wirklich als Ersatz für eine Servicekraft zu gebrauchen, der etwa in Postfilialen Kundenfragen beantwortet. Im aktuellen Zustand würde der als informativer und kommunikativer „Roboter-Gefährte“ konzipierte Pepper die Wartenden wohl eher zur Verzweiflung bringen – oder wenigstens unterhalten, wenn er sie nicht versteht, ignoriert oder plötzlich Dinge tut, die er nicht machen soll.

Auch Scheitern gehört zur Trendforschung

Andere Tests wurden sogar beendet, ohne dass sie den Weg in den Alltag gefunden haben. Die Arbeit mit 3-D-Druckern hat die Deutsche Post DHL ebenso ruhen lassen wie die berühmt-berüchtigten Drohnenlieferungen nach Hause. „Da gibt es durchaus auch noch Ängste und Skepsis bei Kunden“, gibt Sabine Hartmann zu. Doch gerade für solche Ergebnisse wurde das Innovation Center aufgebaut. Auch die Konkurrenz schaut ganz genau, mit welchen technischen Entwicklungen sich die Arbeit verbessern lässt. Hermes testete in Hamburg und London Lieferroboter des europäischen Technologie-Start-ups Starship Technologies, die testweise Retouren und Pakete in einem frei wählbaren 30-Minuten-Zeitfenster abholten.

Und weil auch Online-Händler wie Amazon oder Alibaba selbst zu gigantischen Logistikern geworden sind, wird der Druck größer. „Es muss sich immer was tun, sonst wird es ein Museum“, sagt Kückelhaus über das Innovation Center, das vor drei Jahren generalüberholt und gerade erst wieder neu eingerichtet wurde. Seit 2015 gibt es in Singapur ein Innovation Center für den asiatischen Markt, 2019 soll ein weiteres in Chicago für den nordamerikanischen folgen.

Die letzte Meile ist die schwierigste

„Wir könnten noch so viel mehr machen“, sagt Kückelhaus und spricht die scharfen Restriktionen, etwa die Datenschutzregelungen in Deutschland, an, weshalb personengebundene Daten nicht erhoben werden können und dürfen. „Das wird als Überwachung gewertet“, auch wenn es bei der Analyse helfen würde, um zurückgelegte Wege inklusive Geschwindigkeiten, aber auch Ermüdung und Überlastung von Mitarbeitern nachzuvollziehen. Dabei gehe es weniger um Kontrolle als darum, die Arbeit zu vereinfachen und zu erleichtern (und ungefährlicher zu machen), so Kückelhaus.

Deshalb müsse man sich auf die Roboter konzentrieren. „Im Lager sind wir recht weit“, sagt Kückelhaus. Denn dort experimentiert und forscht man im abgeschlossenen, eigenen Raum. „Schwierig ist es immer dort, wo viele andere Parteien und Organisationen involviert sind; etwa auf freier Strecke und im öffentlichen Raum.“

Was bringt die Zukunft?

Im Innovation Center gibt es eine Vision Street mit hübsch animierten Zukunftsvisionen. Eine zeichnet für das Jahr 2050 einen entmaterialisierten Transport. Produkte bzw. Einzelteile werden dann nach Hause gesendet und zu Hause ausgedruckt, ein zweites Szenario sieht den Transport über neu entstehende Wege vor, etwa die Nord-West-Trasse, die durch das Schmelzen des Eises im Nordpolarmeer entsteht (und tatsächlich schon genutzt wird), eine dritte die Regionalisierung, wonach (ohnehin globalisierte Einheits-)Produkte nicht mehr weltweit, sondern nur noch lokal gefertigt und verschickt werden. Die visionären Szenarien basieren auf einer gerade einmal fünf Jahre alten Studie – und sind teilweise schon von der Gegenwart überholt worden.

Fazit: Die Digitalisierung bestimmt die Entwicklung der Logistik. Bislang werden zukunftsfähige Techniken vor allem in den Lagerhallen der Logistiker angewendet und nicht auf der nahezu unberechenbaren „letzten Meile“ im öffentlichen Raum: doch Themen wie Automatisierung, Robotik und künstliche Intelligenz sowie Hilfsmittel wie Datenbrillen und Drohnen sollen auch zunehmend den direkten Transport beeinflussen. Vor allem der Marktführer Deutsche Post DHL setzt mit seinen alle zwei Jahre erscheinenden Trend Reports und dem eigenen Innovation Center auf das Thema Innovation.

Text: Marten Hahn
Fotos: Deutsche Post DHL Group