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Nachhaltigkeit: Interview mit Simone Fuhs – Gründerin der ecosign

„Nicht Nail Design sondern nachhaltiges Design“

KNOW!S sprach mit Professor Karin-Simone Fuhs über die von ihr gegründete ecosign – Akademie für Gestaltung. Die Fotos von Rainer Holz zeigen Prof. Karin-Simone Fuhs und Eindrücke aus der ecosign im laufenden Sommersemester 2015.

KNOW!S: Was war die Idee, was das Konzept für die Schulgründung?

Prof. Karin-Simone Fuhs: 1994 habe ich die Schule gegründet, die Idee bzw. das Konzept für die Schule ab 1992 erarbeitet. Dabei war die Agenda von Anfang an, Ökologie, Ökonomie und Soziales in die Lehre für Designer miteinzubeziehen, was es bis dato nicht gab. Und das Problem fing eigentlich schon damit an, überhaupt das Geld für die Schule zu bekommen. Bei den Banken war es erst einmal ein Problem, dass ich eine Frau bin. Viele hatten mir deswegen erst gar keinen Termin gegeben, nur weil ich eine Frau bin, zu jung war und erst einmal Kinder kriegen sollte. Die zweite Schwierigkeit war: Design konnten die meisten noch halbwegs verstehen, was aber ihrem Verständnis nach eher in Richtung „Nail Design“ ging, also an der Oberfläche blieb.

„Ökologie und Design?“ – Das hat kaum einer verstanden. Zum Glück habe ich irgendwann doch eine Bank gefunden, die mir geholfen hat. Dies lag vor allem an der Beraterin, die mir wirklich ein gutes Kreditangebot gemacht hat. Jene Bank gibt es heute leider nicht mehr, aber die Beraterin von damals arbeitet jetzt für mich. Die Moral dieser Geschichte: Es lohnt sich jungen Frauen und ungewöhnlichen Ideen mehr Vertrauen zu schenken. Nach 20 Jahren ist ecosign immer noch da…

1994 gab es ja fast 15 Jahre schon die Grünen, Umweltthemen waren also gesellschaftlich schon besetzt.

Ja, aber das Umweltbewusstsein befand sich im Abschwung. In einigen gesellschaftlichen Bereichen waren Umweltthemen noch nicht wirklich angekommen. So war Nachhaltigkeit im Kommunikationsdesign zu der Zeit überhaupt gar kein Thema.

Natürlich gab es Ökopapier. Durch die Recherche für meine Diplomarbeit erfuhr ich aber, dass die Etikette „Öko“ auf der Verpackung nicht unbedingt der wahren Qualität des Inhalts entspricht. Es waren eher die kleinen Papierhersteller, die Papierprodukte auf den Markt brachten, den man aus ökologischer Sicht vertrauen konnte.

Dennoch war da erst etwas im Kommen. Schon in der Hochschule, in der ich studiert habe, gab es viele Studenten, die zu mir kamen, um mehr über Nachhaltigkeit zu erfahren. Als ich 1994 meine eigene Designschule eröffnet habe, hatte ich viele Bewerber, die Interesse an Nachhaltigkeit hatten. Im gesamten Designbereich ging es jedoch weiter nur noch darum, schneller, weiter, größer zu werden. Die Designer interessierten sich damals deutlich mehr für die Möglichkeiten, die Computer für die Gestaltung boten, als für Nachhaltigkeit.

Wie viele Studierende waren es damals?

Simone Fuhs: 1998 hatten wir bereits 200 Studenten. Wir sind relativ schnell groß geworden. Im gleichen Jahr sind wir das erste Mal umgezogen und 1999 hatten wir dann bereits 260 Studenten. Das schnelle Wachstum machte zwar die Schule rentabler, doch hatte eine negative Nebenwirkung: Es änderte die Qualität der Kommunikation, in der Akademie wurde es anonymer. Kommunikation funktioniert nämlich nur in einer überschaubaren Gruppe von Menschen gut. In größeren Gruppen wird sie zu einer sehr großen Herausforderung für alle Beteiligten. Damals lernte ich viel über Kommunikation, zum Beispiel dass sich die Indianer ab einer Gruppe von 100 Menschen immer geteilt haben, um kleinere Gruppen zu bilden und die Ressourcen besser zu nutzen. Eine solche Strategie der Dezentralisierung wäre heute auch im Hochschulwesen dringend nötig. Ich bevorzuge kleine Einheiten auch für eine funktionierende Wirtschaft. Mittelständische Unternehmen, familiär geführte Unternehmen sind oft sehr gute Unternehmen und schneiden auch bei Mitarbeitern sehr gut ab.

Deshalb haben wir bei ecosign die Entscheidung getroffen, nie mehr als 250 Studenten zu haben. Wir wollen quantitativ nicht wachsen, um ein qualitatives Wachstum in der Qualität der Bildung zu ermöglichen. Kein klassischer Ökonom würde eine solche Strategie empfehlen – und klassische Ökonomie ist nicht wirklich meine Stärke! Die große Herausforderungen für ecosign ist immer noch, ein gutes Wirtschaften im schlechten aufrechtzuerhalten. Dafür ist eine ausgeprägte Kreativität nötig und genau hier liegt die Stärke von ecosign, meine Stärke – das sagte mir einmal mein Coach. Nachhaltigkeit benötigt unkonventionelle Lösungen. Dass ecosign nach mehr als 20 Jahren immer noch da ist, zeigt dass wir den richtigen Weg gehen.

Wie wichtig waren Kooperationen in der Entwicklung von ecosign?

Simone Fuhs: Sehr wichtig. Wir kooperieren seit Jahren sehr erfolgreich mit vielen Partnern. Zum Beispiel mit dem Wuppertal Institut, und dem Collaborating Center on Sustainable Consumption and Production (CSCP) und der Folkwang Hochschule (u.a.) haben wir eine „Sustainable Summer School“ (https://www.sustainable-summer-school.org/) initiiert, die in diesem Jahr zum siebten Mal stattfindet.

Gibt es Beispiele für Projekte mit Unternehmen und Verlagen?

Der Pfandring ist ja eines der bekanntesten Projekte, die bei ecosign entstanden ist und in Deutschland schon eine große Verbreitung gefunden hat. Eine Abschlussarbeit hat eine Studentin mit einem Verlag ausgearbeitet, der Romane von südamerikanischen Schriftstellern auflegt. In Brasilien gibt es arme Menschen, die alte Pappen auf der Straße sammeln und bemalen. Diese Pappen werden dann von diesem Verlag zu Büchern gebunden. Unsere Studentin hat nach dem gleichen Prinzip hier gearbeitet. Sie hat die Cover von den Menschen malen lassen, die in Brasilien die Pappen sammeln.

Das schafft einen super Selbsterkennungswert für Bücher – und so ein Projekt hat natürlich auch positive soziale und ökologische Nebeneffekte.

Sollten Unternehmen nicht mehr den klassischen Designer holen, der das mal eben pinselt?
…Sondern einen, der den Prozess komplett hinterfragt. Es gibt noch eine andere Arbeit, an der das sehr deutlich wird. Man kann natürlich nicht pauschal sagen, wie nachhaltiges Design funktionieren soll. Natürlich ist es wichtig über die Materialwahl nachzudenken; im Kommunikationsdesign über das Papier, die Druckfarben etc.. Aber man muss sich erst einmal informieren: Wer ist der Auftragsgeber? Was macht er und wo will der hin? Das bringen wir unsere Studenten bei: Über den Kontext der Gestaltung nachzudenken – und nicht über das Objekt.

Was ist aus den Absolventen von ecosign geworden?

Simone Fuhs: Ganz unterschiedlich. Ich erinnere mich an eine Studierende, die in den ersten Semestern feststellen musste, dass Produktdesigner oft sinnlose Objekte entwerfen. Bis sie an einem Projekt arbeitete, bei dem sie ein Produkt für ältere Menschen entwickeln sollte. Dabei merkte sie, wie sehr sie andere Menschen helfen konnte. Als Frühchen hatte sie selbst an vielen Dingen gelitten, die hätten vermieden werden können. Sie begann sich zu informieren und suchte nach Unternehmen, die Produkte für den Medizinbereich herstellen, speziell für Kinderstationen.

Dabei stieß sie auf ein Unternehmen in den USA und machte dort ein Praktikum. Zusammen mit der Firma entwickelte sie ihre Abschlussarbeit: Eine Matte, speziell für Frühchen. Vorher war es so, dass Frühchen einfach in Handtücher gewickelt wurden. Sie hatte hingegen eine technische Matte entwickelt, die dem Säugling das Gefühl gibt, immer noch im Mutterbauch zu sein. Die Matte wurde umgesetzt. Schon vor ihrem Abschluss wurde die Studentin vom Unternehmen eingestellt.

Im Kommunikationsbereich sind viele Absolventen mittlerweile selbstständig und haben eine eigene Agentur. Andere arbeiten im Design-Management und beraten Unternehmen.

Im Bereich Illustration gibt es Absolventen, die für Verlage arbeiten. Beispielsweise hat eine Studentin es direkt nach ihrer Abschlussarbeit geschafft, als Illustratorin für Kinderbücher bei einem Verlag zu starten. Während ihres Studiums hatte sie Fotografie und Illustration so kombiniert, dass eine ganz einzigartige Bilderwelt dabei entstanden war. Das erste Kinderbuch hatte einen sehr großen Erfolg, mittlerweile wurde es in mehrere Sprachen übersetzt.

Die meisten Absolventen haben Nachhaltigkeit schon aus eigenem Interesse komplett in ihr Leben integriert. Die Art und Weise, wie sie ihre Kinder erziehen, was sie essen, wie sie es in ihrer Arbeit leben, selbst wenn es nicht immer einfach ist…

Die ersten Absolventen um die Jahrtausendwende waren schon stellenweise abgeschreckt, wie viel Ignoranz viele Unternehmen oder auch Kunden im Bereich Nachhaltigkeit hatten. Seit der Finanzkrise wandelt sich der Markt, es gibt eine stärkere Reflexion in Unternehmen, die Bereitschaft, sich für Alternativen zu öffnen, wächst.

Besteht immer noch ein Kontakt zu den alten Absolventen? Wie nachhaltig ist die Kommunikation also, im Vergleich zu klassischen Hochschulen?

Simone Fuhs: Ja, der Kontakt besteht in vielen Fällen immer noch. Bei unserem 20jährigen Jubiläum hatten wir viele Besucher aus ganz Deutschland. Ich bekomme immer wieder Emails aus Afrika oder aus Amerika, von ehemaligen Studenten. Wir haben bisher kein offizielles Alumniprogramm, was wir aber bald starten wollen.

Vor zwei Jahren haben wir mit ehemaligen Ecosignern einen Verein gegründet. Das zeigt, dass sie die Schule lieben. Einige verlassen uns nie, weil sie Dozenten an der Akademie werden. Bei ecosign sind einige Ehepaare entstanden, die mit ihren Kindern heute kommen. Es ist schon eine Gemeinschaft: manche Beziehungen sind enger, andere natürlich loser. Das ist jedem selbst überlassen.

Bewegen sich jetzt mehr Studenten als 1994 auf das Thema Nachhaltigkeit hin?

Simone Fuhs: Ja. Zwischen 1994 und 1996 gab es viele Studenten, die das Thema Nachhaltigkeit vertiefen wollten. Damals habe ich die entsprechenden Kurse selbst betreut. Wir hatten eine Gruppe von Studenten, die wirklich engagiert war, sehr politisch, fast wie nach 1968. Dann gab es einen Bruch. Nach 2001 und dem 11. September fingen die Menschen wieder an, mehr über die Entwicklung der Gesellschaft nachzudenken: Ist es richtig, was wir hier eigentlich tun? Die verschiedenen Wirtschaftskrisen der letzten Jahre haben auch eine stärkere Hinterfragung unserer gesellschaftlichen Entwicklung gefördert. Es ist nur schade, dass der Mensch erst solche Krisen braucht, um Dinge zu hinterfragen und zu reflektieren.

Frau Prof. Fuhs, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Fotos: Rainer Holz