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Letterjazz – Buchdruck Oldtimer drucken modernes Design

Bei Letterjazz wird mit Maschinen gedruckt, die andernorts im Showroom verstauben und dafür herhalten müssen, um zu zeigen, wie lange an diesem Ort schon der schwarzen Kunst gefrönt wird. Es sind Tiegeldruckmaschinen und das Druckverfahren ist der Buchdruck. Sven Winterstein liebt den Buchdruck und modernes Design. Damit hat er eine Nische gefunden, die mittlerweile von vielen Agenturen und Unternehmen geschätzt wird. Das, was bei Letterjazz gedruckt wird, fällt auf.

Heute stehen in dem – nennen wir es ruhig Atelier – neun Buchdruckmaschinen, ein Heidelberg Zylinder, sieben Tiegel und eine Andruckpresse, sowie historische Weiterverarbeitungstechnik. Nur die Papierschneidemaschine ist moderne Technik, aus Sicherheitsgründen. Im Printstudio von Letterjazz werden keine hochauflagigen Magazininhalte gedruckt, sondern klassische Akzidenzdrucksachen, wie Karten, Verpackungen, Blocks, Visitenkarten oder Labels für junge Modeunternehmen. Im Magazinbereich bietet sich das Druckverfahren an, um einen Titel wie den der aktuellen KNOW!S, zu veredeln. Dabei können die Verfahren kombiniert werden, also moderner Offsetdruck und Kunstdruck a la Letterjazz. So druckt die klassische Druckerei wie Schaffrath den Innenteil und Letterjazz den Titelbogen. Beides wird in der automatisierten Weiterverarbeitung zusammengeführt und anschließend versandt.

Beim Druck mit einem Tiegel wird das Papier unter hohem Druck auf das Klischee – die Druckform – gepresst. Bei Letterjazz sagen sie dazu auch „mit Schmackes“. Dadurch ergibt sich, je nach gewähltem Papier oder Karton, auch immer eine mehr oder weniger ausgeprägte dreidimensionale Form, die Licht und Schatten wirft. Dieses Phänomen, so Winterstein, kann man durch eine entsprechende Gestaltung unterstützen. Helles Papier und ein heller gedruckter Farbton sind dafür besonders geeignet. Wichtig ist die Qualität des Papieres, wobei Winterstein gerne auch mit der einfachen Graupappe gestaltet. Das Sujet sollte grafisch gewählt werden. Linien, kleine Punkte, Kreise, also Zeichnung kommt besonders gut zur Geltung. Dabei sollten die Flächen nicht zu üppig angelegt sein. Winterstein und sein Team beraten hier exzellent. Das „Weniger ist mehr“ zählt in diesem Fall ebenfalls. Klare Formen, Einfarbigkeit und gute Typografie überzeugen mehr als Schnörkel und Co.

Gestalter an die Hand nehmen

„Man muss wissen, dass wir hier mit einer Einfarbdrucktechnik arbeiten“, sagt Winterstein. „Hier beraten wir oft gegen unseren eigenen Umsatz, denn wir verdienen mit jeder Druckfarbe mehr.“ Aber oft fördert ein einfarbiger Druck auf tollem Papier ein wertsteigernderes Ergebnis zu Tage als ein Fünffarbdruck. Der Gestalter muss seine Hausaufgaben machen. Abgeben kann der Gestalter ein PDF. Kann also die ihm vertrauten Gestaltungsinstrumente wie MAC oder PC und Programme wie Indesign oder Illustrator nutzen. Die Farben können aus dem Pantone oder HKS-System gewählt werden. Natürlich ist auch die Vorstufentechnik bei Letterjazz auf die Besonderheiten des Tiegeldrucks abgestimmt. Die Gestalter nehmen wir an die Hand und führen sie durch den Irrgarten der Möglichkeiten des Buchdruckes. Die kennen natürlich digitale Drucktechnik, UV-Lack, konventionelle Druckereien und Rückendrahtheftung, aber eben nicht die Spezifikationen des Einfarbendruckes.

Keine halbgaren Sachen

Es werden fotopolymere Platten erstellt, die selbst bis zu Schriften von 4 pt hervorragende Ergebnisse liefern und die über jeden Zweifel erhaben seien. Natürlich kann man auch metallische Klischees herstellen lassen. Und dann beginnt bei Letterjazz die Arbeit mit Hand, Auge und viel Gefühl. „Das Druckergebnis lasse sich eben nicht immer 100 prozentig vorhersagen, wie man dies aus standardisierten Abläufen gewöhnt ist“, so Winterstein. Der sagt aber auch: „Wir machen hier keine halbgaren Sachen. Wir arbeiten so lange an einem Druckobjekt, bis das Ergebnis präzise stimmt.“ Das sei so, wie wenn in einer Drei-Sterne-Küche abgeschmeckt werde. Und die Kunden bei Letterjazz dürfen zuvor probieren. Bekommen einen Original-Andruck zur Abstimmung und erst dann wird die Auflage gedruckt.

Um den optimalen Prägelook zu erreichen, kann es auch sein, dass im Gestaltungsprozess noch einmal das Papier gewechselt wird. Natürlich immer in Abstimmung mit dem Kunden. Denn die vielfach eingesetzten Naturpapiere verhalten sich nicht immer gleich. „Für die Qualität unserer Arbeit haben wir bei der Abstimmung an der Maschine ein vier Augen-Prinzip“, so Winterstein. Begonnen hat Winterstein in einer Garage und nennt seine Liebe zu den alten Schätzchen, wie Victoria-, Boston- oder Gally-Tiegel, heute noch einen Spleen. Bei einem großen Heidelberg-Tiegel wird das Papier mit einem Druck von 60 Tonnen direkt auf die Druckform gepresst. Noch gäbe es die alten Herren, die die Maschinen auch reparieren könnten und die Maschinen, teilweise aus den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, seien sehr robust gebaut.

So werden aus Druckwerken echte Werke und Werte. Damit sie wertvoll werden – man sich diese aufhebt – müssen Gestaltung und Druck überzeugen. Dies gelingt mit viel Liebe gerade in den Details und Herzblut für Text und Gestaltung. Vielleicht gelingt dies bei Letterjazz deshalb so gut, weil der Druckprozess ein wenig entschleunigt wurde und der ganzheitliche, menschliche Blick wieder zählt. Denn am Ende entscheidet ein menschliches Augenpaar darüber, was gefällt oder aufregend ist. „Den Kollegen aus der industriellen Druckproduktion nehmen wir nichts weg“, sagt Winterstein deshalb auch, „sondern sehen uns als Ergänzung, wenn es einmal etwas Besonderes sein soll.“

KNOW!S Umschlag gedruckt auf „Coffee to Print“

Das Umschlagpapier dieser KNOW!S-Ausgabe gibt es in fünf verschiedenen Kaffee-Tönen: café au lait, latte macchiato, cappuccino, espresso und café noir. Das Papier wird in der James Cropper mill hergestellt. „Coffee to Print“ überzeugt durch eine warme Eigenfarbigkeit, die wie im Fall dieser KNOW!S im sehr hellen Bereich liegen kann und bis zu sehr dunklen Farbtönen reicht. Papierlieferant Freytag & Petersen, mit Standorten in Köln, Dortmund und Trier spricht von einer schlichten und puristischen Oberfläche des Papieres für viele Gestaltungsmöglichkeiten. Erhältlich ist das Papier und der Karton in den Grammaturen 100, 170 und 350 Gramm und es ist FSC-zertifiziert (FSC-mix). Passende Briefhüllen können zudem geliefert werden. „Coffee to Print“ ist ein Volumenpapier und daher ganz besonders gut geeignet für den Buchdruck, wie ihn Letterjazz, anbietet. Freytag & Petersen, der Papierlieferant, spricht von Leidenschaft für Papier und ist Teil der Igepa group, die alleine in Deutschland 1.850 Mitarbeiter beschäftigt.

Link zur Website des Papierherstellers Igepa

Digitale Gestaltung im Buchdruck

Winterstein beschreibt die Herangehensweise: „Wir nehmen die Gestaltung von Heute, die von modernen Gestaltern kommt. Das kann eine Illustration von Hand sein, die digitalisiert und dann in ein Klischee zum Drucken umgewandelt wird. Das passiert vor dem Drucken. Hier gibt es einen Unterschied zu den klassischen Buchdruckern. Diese setzen Druckwerke traditionell im Hand- und Bleisatz und drucken diese. Das hat einen Sinn, Wert und eine bestimmte Ästhetik, aber das ist nicht unser Ding. Wir machen Rock´n Roll und sind marktschreierischer. Lauter mit Illustration und Schrift und gehen mit rauhem Papier um. Das Feinschmeckerische des Bildungsbürgertums ist nicht so unser Ding. Es muss schon ein bisschen lauter sein. Das ist unser Stil.“

Erfolg nach fünf Jahren

Zwei Jahre lang sei Letterjazz eine missionarische Tätigkeit gewesen, die in der Garage  zu Hause begonnen habe. Jetzt nach fünf Jahren sei man weiter, hat acht Mitarbeiter und wachse alleine in diesem Jahr um 45 Prozent. Man profitiere vom Empfehlungsgeschäft und Wachstum auf Kundenseite. Es sind viele kleine Aufträge und weniger der eine Große so Winterstein. So habe man einen Kunden der Modeaccesoires online verkaufe. Da habe er zunächst gedacht, das wird bestimmt nichts, als das Unternehmen beim ersten Mal 1.000 Hang Tags bestellte. Drei Jahre später bestellten sie 15.000 und jetzt alle sechs Wochen 75.000. Es seien die vielen kleinen Erfolge, die sich jetzt bemerkbar machten und es fühle sich gut an mit den kleinen Kunden. Dass gutes Papier bei vielen Gestaltern nicht mehr so sehr auf dem Radar liege, macht Winterstein ein wenig traurig. Hier wünscht er sich von den Gestaltern wieder mehr Mut, auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Dies habe auch mit der Vermittlung von Werten zu tun. Wenn ein Unternehmen teure Produkte verkaufe, müsse sich dies auch im Papier der verwendeten Drucksachen wiederfinden. Und es gebe „aufregende Papiere“, stellt Winterstein fest. Wer den Musterpack von Letterjazz bestellt, der bekommt einen kleinen Umschlag geliefert mit zehn Inspirationsmuster im Postkartenformat.

Sven Winterstein: „Die Ästhetik ist das Ziel“

Ich sehe das Print Studio Letterjazz außerhalb der Druckindustrie. Das hat mit meiner Herkunft zu tun: Ich komme nicht aus der Drucktechnik, sondern bin gelernter Druckvorlagenhersteller und liebe Typographie und Gestaltung. Natürlich kenne ich dadurch das Thema Druckraster oder Auflösung. Bei Letterjazz ist mein Ansatzpunkt und Ziel die Ästhetik, also wie schaffe ich ein Druckerzeugnis oder eine Verpackung, die ich vor meinem inneren Auge habe. Ich habe ein Faible für amerikanisches Design, war viel in den USA unterwegs und konnte dort an keinem Trödelladen vorbeigehen.

Als Mediengestalter habe ich für die Stahlindustrie viele Broschüren und Kataloge gestaltet.Die wurden immer gleich im Bogenoffset auf immer gleiches Papier gedruckt. Das war mir auf die Dauer zu langweilig. Ich erinnerte mich an die alte Buchdruckerei und Handsetzerei im Keller meiner Berufsschule, bevor man dort alles ausgemustert hatte. Und so – das muss vor zehn Jahren gewesen sein – beschäftigte ich mich mit alter Drucktechnik. Das Unmittelbare am Buchdruck hat mir immer gefallen. Da schnauft und stampft eine Maschine, es entstehen faszinierende und nur auf diese Art und Weise zu produzierende einzigartige Druckwerke. Das ist ein wenig so wie bei einer Schallplatte. Ich lege den Abtastarm auf, dann fängt es an zu knistern und die Musik beginnt.

Ich glaube ich bin so wie der DJ, der sich einen Schallplattenspieler kauft, aber eigentlich elektronische Musik macht. Sozusagen die elektronische Musik auf dem analogen Ausgabemedium genießt. Dabei geht es mir nicht um ein Nachahmen der historischen Zeit. Nein, ich bin ein Kind der digitalen Technik, der digitalen Druckvorlage. Ich finde es spannend beide Welten miteinander zu verbinden: Digitale Gestaltung mit den analogen und klassischen Mitteln des Buchdrucks umzusetzen. Das ist die Nische von Letterjazz und ich bin zuversichtlich, dass wir hier weiter eine gute Marktchance haben werden.

Link zur Website von Letterjazz

Marion Pape
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