Die Auswirkung der Übernahme oder auch Verweigerung von Verantwortung hat vielfältige Konsequenzen. Daher haben wir zwei ausgewiesene Experten befragt, wie sie Verantwortung definieren, was es bedeutet, sie zu übernehmen und wie sie weitergetragen werden kann.
Holger Latzel ist Gründer und Inhaber der gleichnamigen Steuerkanzlei im Beratungshaus S 15 in Kempen am Niederrhein. Der 52-jährige Steuerberater und Wirtschaftsmediator vertritt insbesondere mittelständische Familienunternehmen.
Wie definieren Sie ganz persönlich Verantwortung?
Wenn ich im wörtlichen Sinne Verantwortung »trage«, impliziert das ein aktives, bewusstes und gewolltes Handeln. Welchen wichtigen Stellenwert die Übernahme von Verantwortung gerade als Führungskraft hat, geht besonders aus dem Ausdruck »verantwortlich zu sein« hervor, denn es beschreibt nicht nur das Tun, sondern das Sein als verinnerlichte, gelebte Identifikation mit der Führungsrolle. Die grundlegende Voraussetzung, die jede Verantwortung tragende Person mitbringen muss, ist die Fähigkeit, das eigene Können und die möglichen Folgen von Entscheidungen einzuschätzen. Wer also eine verantwortliche Position innehat, benötigt eine umfassende Informiertheit über seinen Bereich und das Bewusstsein für die Konsequenzen, die sein Handeln hat. Denn auch die Konsequenzen gilt es zu »tragen«.
Was bedeutet dies für den beruflichen Kontext, wenn Führungskräfte oder Mitarbeiter Verantwortung übernehmen (sollen)?
Beim Thema Verantwortung geht es kurz gesagt um das »Können« und das »Wollen«.
Viele unserer Beratungsinhalte mit mittelständischen Unternehmen beziehen sich im Kern auf genau das. Insbesondere bei Veränderungsprozessen in Organisationen sind diese beiden Begriffe das, was von jedem Einzelnen im Unternehmen gelebt werden muss, um die Veränderung erfolgreich umzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übernahme von Verantwortung von den Führungskräften vorgelebt wird. Ihr »Sein« muss zu ihrem »Tun« passen. Nur so kann eine Organisation langfristig funktionieren. Eine offene, wertschätzende, vor allem motivierende Kommunikation ist hier der Schlüssel, um alle Mitarbeitenden mitzunehmen. Kommunikation zu unterlassen, hätte Konsequenzen. Und auch diese müssten getragen werden. Nach Laotse ist man nicht nur verantwortlich für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.
Wie können Sie Menschen Mut machen, Verantwortung zu übernehmen?
Nach Mut kommt Veränderung. Auch hier ist die Vorbildfunktion der Führungskraft von enormer Bedeutung. Verantwortung muss nicht von heute auf morgen übertragen werden. Wie so vieles ist auch das ein Prozess, der begleitet werden muss. Hier gilt es, den Menschen fachlich (im Können) und persönlich (im Wollen) gut vorbereitet an seine neue Aufgabe heranzuführen. Der wohl wichtigste Aspekt ist die Tatsache, dass Mitarbeitende das Unternehmen als Ganzes wahrnehmen und ein Verständnis für das »Wozu« entwickeln. Nur so können sie sich mit einer neuen, Verantwortung übernehmenden Rolle identifizieren.
Interview mit Jürgen Zietlow
Jürgen Zietlow ist Datenanalyst, Fachjournalist und Unternehmensberater für nachhaltige Kommunikation.
Wie definiere ich ganz persönlich Verantwortung?
Ich hinterfrage mich persönlich – das darf unangenehm sein. Wenn ich die Welt verändern will, muss ich bei mir anfangen.
Verstehe ich die weitreichenden Gründe für den Green Deal? Erkenne ich an, dass diverse Fluchtursachen von Menschen des Globalen Südens bei uns liegen? Bin ich bereit, für eine fairere Welt Opfer zu bringen? Wo kann ich regional einkaufen? Muss ich im Urlaub immer verreisen oder kann ich auch regional entspannen? Geschäftsreisen mit der Bahn? Was ist Milch? Wie viel Energie, Wasser und Futter verbraucht ein Kilo Fleisch? Kann ich den Gegenstand länger benutzen? Brauche ich dieses oder jenes überhaupt?
Weniger instant: bei Informationen und beim Essen – mehr Nährwert: selbst informieren und selbst kochen! Tiefkühlpizza und Snackable Content oder: der eigene Salat und ein Buch oder einen Fachbeitrag vollständig lesen?
Was bedeutet Verantwortung im beruflichen Kontext?
Als Journalist, der durch eigene und externe Medien Zehntausende Menschen erreicht, bin ich mir meiner Verantwortung bewusst. Werte und Haltung kann man direkt oder diplomatisch vermitteln. Sie sind aber niemals Verhandlungsmasse. Als Datenjournalist habe ich mich beruflich auf die globale und ökosoziale Wirtschaftsentwicklung und die nachhaltige Transformation (ESG, SDG, Direktiven des Green Deals etc.) spezialisiert – hier habe ich ein profundes interdisziplinäres Wissen durch ständige Recherchen. Ich sondiere ergebnisoffen und unvoreingenommen, ungeachtet meiner persönlichen Meinung. Das ist ein kräftezehrender Prozess, aber das Fundament meiner Werte und Haltung. Ich handle aus Überzeugung. Zum Beispiel ist die Brancheninitiative UmDEX noch nicht rentabel. Das war/ist ein persönliches Anliegen, nach 30 Jahren in der Druckbranche. Viele Informationen wären ansonsten in der Druckbranche nie angekommen. Die aktuell schlechte Stimmung selbst, auch in der Druckbranche, sorgt für einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Wir buddeln uns völlig zu Unrecht selbst in eine Frustrationsgrube – darum ist es mir wichtig, Menschen zu motivieren, genauer hinzusehen und sich mit der nachhaltigen Transformation und ihren positiven Effekten zu beschäftigen.
Wie kann ich Menschen Mut machen, Verantwortung zu übernehmen?
Unternehmen wie Schaffrath zeigen als Teil der großen, ganzen nachhaltigen Lösung, dass es auch in der Druckbranche möglich ist, sich als beteiligt und nicht nur belastet zu definieren. Wirtschafts-und Umweltdaten zeigen, dass es keinen Grund gibt, sich in eine negative Stimmungsspirale hineinziehen zu lassen: Durch verschiedene Interessengruppen und Akteure werden über KI und Social Media täglich viele Falschmeldungen verbreitet, was Verunsicherung und Spaltung in der Gesellschaft fördert. Tatsächlich ist die Lage besser als die Stimmung. Die Fundamentaldaten sind nicht berauschend, aber OK: Laut einer Studie von Bearing Point schneiden einige Elektrofahrzeuge im Wettbewerbsvergleich gut ab. Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, eingebettet in eine friedliche, demokratische EU als zweitgrößter Wirtschaftsraum der Welt – mit fast einer halben Milliarde Menschen. Wir decken mittlerweile 55 bis zu 80 % unseres Bruttostromverbrauchs durch Erneuerbare. Die Strompreise haben sich stabilisiert. Der Industriestrompreis ist nicht perfekt. Die Konjunktur kommt derzeit noch nicht in Schwung, aber wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir Herausforderungen und Strukturbrüche erfolgreich bewältigt haben.
Windkrafträder und Solarpanels werden laufend leistungsfähiger, recyclebarer und effizienter. Es entstehen zentrale Chip- und Batteriewerke an verschiedenen Standorten in Deutschland. Die Green/ Clean Economy wächst.